Sexualität und Krebserkrankung

Sexualität und Krebserkrankung

Sexualität nach einer Krebserkrankung

Die Diagnose einer Krebserkrankung bedeutet für jeden Betroffenen eine Belastung – und  fordert alle körperlichen und seelischen Kräfte. Es stehen Ängste und Fragen nach  Heilungschancen und Nebenwirkungen der Therapie im Vordergrund. 

Da erscheint die Frage nach den Auswirkungen der Erkrankung und den Folgen der Therapie auf das Sexualleben zunächst nebensächlich.

Die Erfahrung aber zeigt, dass ein gelungenes Leben der eigenen Sexualität sehr beglückend für Krebspatienten und ihre Partner sein kann. Voraussetzung dafür ist ein Überwinden von Hemmungen, von inneren Sperren – so kann es befreiend sein, wenn offen über mögliche Probleme gesprochen werden kann; denn nur dann können ja Lösungen für neu aufgetretene (oder auch schon vorbestehende!) Probleme gefunden und ausprobiert werden.

Neben Offenheit sind Zärtlichkeit, ein gutes Selbstwertgefühl und ein Wissen um den Körper und seine Reaktionen wichtige Voraussetzungen für ein befriedigendes Sexualleben.

Sexualität ist mehr als ein Orgasmus durch Stimulation der Geschlechtsorgane!

Nähe, der Austausch von Zärtlichkeiten (auch in Worten und Gesten) sowie Liebkosungen zählen am meisten in einer (Liebes-) Beziehung.

Es gibt einige Missverständnisse bezüglich Sexualität und Krebs wie: Krebs sei ansteckend oder der Partner könnte beim Intimkontakt mit den Chemotherapie- Medikamenten in Berührung kommen, während einer Strahlentherapie könnte der Partner beim Sex Strahlung abbekommen:

Nur bei sehr wenigen Tumorerkrankungen – wie z.B. Leberkrebs, Tumoren des Hals-Nasen Ohren-Bereichs oder Gebärmutterhalskrebs- kann eine früher durchgemachte Virusinfektion zur Tumorentstehung mit beigetragen haben – Krebs ist dadurch aber nicht ansteckend, es werden keine Tumorzellen von einem Menschen auf den anderen übertragen! Dennoch ist ein Schutz vor Übertragung von beispielsweise Hepatitisviren, humanen Papillomviren oder HIV- Viren natürlich sinnvoll. Bei Hepatitis B wie auch bei den Papillomviren gibt es wirksame Schutzimpfungen, der Gebrauch von Kondomen bietet ebenfalls einen guten Schutz.

Chemotherapeutika werden rasch aus dem Körper ausgeschieden, meist binnen Stunden, (bei Cisplatin bis wenige Tage), so dass dann sicher keine Beeinträchtigung des Partners zu befürchten ist. Der Gebrauch von Kondomen bei männlichen Patienten schützt auch hier die Partnerin vor einem Kontakt mit dem Samenerguss, der ohnehin nur eine winzige Menge der Medikamente enthalten könnte.

Die Radioaktivität einer Bestrahlung von außen durch die Haut ist schon im Moment, wenn die Behandlung beendet wird, nicht mehr nachweisbar. Anders ist es, wenn Strahlungsquellen als Flüssigkeit eingespritzt werden oder in Körperhöhlen verbracht werden. Hier muss beim behandelnden Arzt nachgefragt werden, wann das Sexualleben wieder begonnen werden darf.

Bei Männern gibt es als Krebsformen der Geschlechtsorgane das Prostatakarzinom und den Hodenkrebs – der meist bei jungen Männern auftritt -, selten auch Peniskarzinome. Bei diesen Erkrankungen können als Folge der Erkrankung und der notwendigen Therapie Libidoverlust und Erektionsstörungen auftreten. (Erektile Dysfunktion)

Des Weiteren kann die Samenproduktion beim Hodenkrebs vermindert sein, manchmal kommt es zur Störung der Nervenbahnen, die den Samenerguss regeln.

Auch beim Prostatakarzinom, welches in der Regel bei Männern über 60 Jahren auftritt, kommt es durch Operation oder Bestrahlung zum Verlust der Zeugungsfähigkeit, bei fortgeschrittenen Tumoren müssen gelegentlich die Nerven, die die Erektion steuern, mit entfernt werden, eine Orgasmusfähigkeit bleibt davon aber unberührt. Viele Prostatakarzinom-Patienten erhalten eine Hormontherapie, die die Testosteronproduktion herabsetzt, das führt zu „Wechseljahrsbeschwerden“ wie Hitzewallungen, aber auch zu reduzierter Lust und verminderter Erektionsfähigkeit.

Bei kleinen Peniskarzinomen wird sich durch die Bestrahlung nur wenig Einfluss auf das Sexualleben ergeben. Wenn nur ein Teil des Penis entfernt werden muss, bleibt trotzdem die Fähigkeit der Erektion und des Geschlechtsverkehrs erhalten.

Bei Frauen gibt es: Gebärmutterhalskrebs, Gebärmutterkrebs oder Eierstockkrebs, selten Krebs in der Klitoris und in den Schamlippen (Vulvakarzinom).

Der Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) wird durch Vorsorgeuntersuchung mit Abstrich heute meist in frühen Stadien erkannt. (Durch die empfohlene Impfung junger Mädchen und Jungen gegen HPV =humanes Papilloma Virus wird es in Zukunft sicher zu einem drastischen Rückgang der Erkrankungshäufigkeit kommen). So hat die notwendige Therapie nur geringen Einfluss auf das Sexualleben, meist kann auch die Fähigkeit zur Schwangerschaft bestehen bleiben. Fortgeschrittene Tumoren erfordern aber die Entfernung der Gebärmutter (keine Schwangerschaften mehr möglich) und der oberen Anteile der Scheide. Diese bleibt aber meist noch tief genug für einen problemlosen Geschlechtsverkehr. Sollte eine örtliche Bestrahlung im Anschluss an die Operation nötig sein, kann es zu Verklebung und Verengung der Scheide kommen. Hier wird gleich mit Vaginalzäpfchen und einer Dehnungsbehandlung mittels Dilatator gegengesteuert. Bei Trockenheit der Scheidenschleimhaut werden Gleitmittel empfohlen.

Beim Gebärmutterkrebs muss die Gebärmutter entfernt werden, sodass keine Schwangerschaften mehr möglich sind. Eine Auswirkung auf die Orgasmusfähigkeit ist nicht zu erwarten. Bei fortgeschrittenen Tumoren, mit Mitbefall von Nachbarorganen, muss eine Operation oft umfangreicher sein. Dann könnten später innere Narben und Verwachsungen unangenehme Empfindungen bis hin zu Schmerzen beim Geschlechtsverkehr verursachen. Hier kann gelegentlich eine operative Lösung der Verwachsungen helfen. War die Entfernung von vielen Lymphknoten im Becken-/Bauchraum erforderlich, können eine Schwellungsneigung oder Lymphödeme auftreten, die meist -konsequent und frühzeitig behandelt – keine dauerhaften Probleme bereiten sollten.

Sollte eine örtliche Bestrahlung im Anschluss an die Operation nötig sein, kann es zu Verklebung und Verengung der Scheide kommen. Hier wird gleich mit Vaginalzäpfchen und einer Dehnungsbehandlung mittels Dilatator gegengesteuert. Bei Trockenheit der Scheidenschleimhaut werden Gleitmittel empfohlen.

Bei Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom) treten Beschwerden erst in sehr fortgeschrittenen Stadien auf, sodass er oft spät erkannt wird und dann intensiv behandelt werden muss. Entscheidend für die Prognose ist dann eine sehr umfangreiche Operation, oft ist eine Chemotherapie erforderlich. Durch die Entfernung der Eierstöcke treten Wechseljahrsbeschwerden rascher und intensiver auf – z.B. Hitzewallungen und Scheidentrockenheit.

Auch wenn eine Krebserkrankung nicht direkt die Geschlechtsorgane betrifft, kann das Sexualleben beeinflusst werden.

Eine Chemotherapie kann durch eventuell auftretende Nebenwirkung wie Übelkeit, Schleimhautentzündungen, Durchfall, Fatigue-Symptomatik (Fatigue) zeitlich begrenzt die Lust am Sex deutlich mindern. Der vorübergehende Verlust der Haare, der bei bestimmten Medikamenten eintritt, kann besonders bei Frauen das Selbstbildnis und das Gefühl der Attraktivität empfindlich stören. Bei einer Bestrahlung kann es zu Hautreizungen (selten Verbrennungen) kommen, die Berührung unangenehm bis schmerzhaft machen können. Auch bei einer Bestrahlung ist eine Fatigue-Symptomatik möglich.

Bei einer Brustkrebserkrankung (Mamma-Karzinom) kann heute meist brusterhaltend operiert werden, bei großen Tumoren, wenn mehrere Tumore in der Brust sind oder bei sehr ungünstigem Sitz ist eine Entfernung der Brust jedoch unvermeidbar. Für die meisten Frauen sind die Brüste wichtig, damit sie sich als sexuelles Wesen empfinden – so wirkt sich die Operation auf ihr Selbstbild aus. Sie entwickeln Schamgefühle, mögen sich nicht mehr nackt zeigen oder sich selbst im Spiegel anschauen. Hier sind ein offenes Gespräch mit dem Partner und ein behutsamer Umgang mit diesen Ängsten sehr wichtig. Viele Brustkrebspatientinnen erhalten über Jahre eine endokrine Therapie mit Tamoxifen, Aromatasehemmern oder Goserelin=Zoladex®, um den Wachstumsreiz durch Östrogen auf Tumorzellen zu unterdrücken und so die Prognose zu verbessern und Rückfällen vorzubeugen. Hierdurch kommt es zu Wechseljahrsbeschwerden, die sich – wie oben geschildert – auch auf das Sexualleben auswirken können.

Bei Darmkrebserkrankung (Darmkrebs) kann es notwendig sein, dass ein vorübergehender oder dauerhafter künstlicher Darmausgang, ein sogenanntes Stoma angelegt werden muss. Dabei wird durch eine Öffnung durch die Bauchdecke der Stuhl in einen Beutel nach außen abgeleitet. Hier ist es oft eine Frage der Gewöhnung und der praktischen Handhabung, die die Wiederaufnahme eines erfüllten Sexuallebens ermöglicht. Selten kann es im Rahmen ausgedehnter Operationen zu Nervenverletzungen im Unterleib kommen, die beim Mann zu Erektionsstörung und bei der Frau zu verminderter Empfindlichkeit führen kann. Auch beim Blasenkrebs wird manchmal ein Stoma angelegt, oft wird aber aus einem Teil des Darms eine „neue“ Blase angelegt, die auf normale Weise oder mithilfe eines Katheters entleert wird, der durch eine kleine Öffnung in der Bauchdecke geführt wird. Bei der Harnblasenentfernung werden beim Mann meist auch die Nerven, die eine Erektion regeln, durchschnitten und teilweise entfernt. Trotz der resultierenden Erektionsstörung bleibt das sexuelle Lustgefühl unverändert.

Weiterführende Information finden Sie beispielsweise bei der Deutschen Krebshilfe im Internet, sowie bei der Patienteninformation Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg oder beim Krebsinformationsdienst. Patienten-Selbsthilfegruppen bieten darüber hinaus sehr gute Broschüren zu diesem Thema an, wie die Frauenselbsthilfe nach Krebs oder der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe.

Welche Hilfestellung können Sie im Rahmen einer Behandlung in der Habichtswald Reha-Klinik erwarten?

Ihre behandelnden Ärzte beraten Sie – alleine oder gemeinsam mit Ihrem Partner – nicht nur über körperliche Funktionsstörungen und deren mögliche Behandlung, sondern bieten Ihnen zusammen mit den Psychotherapeuten der Abteilung Onkologie Unterstützung auf Ihrem Weg zur Wiederaufnahme des Sexuallebens an.

Oft haben Krebspatienten Probleme mit dem Selbstwertgefühl. Die Erkrankung und die Therapie haben Spuren hinterlassen: Wie wird ein Sexualpartner darauf reagieren? Bin ich noch immer attraktiv für den Partner? Kann ich sie/ihn noch befriedigen? Das sind häufige Fragen, die aufkommen und Gesprächsbedarf hervorrufen – im Rahmen von Einzeltherapien, aber auch im Rahmen von Gruppentherapien mit Mitpatienten, die sich vielleicht in einer ähnlichen Situation befinden. So kann als erster Schritt eine verbesserte Selbstannahme unterstützt werden und ein entspanntes Verhältnis zu den vermeintlichen „Mängeln des eigenen Körpers“ gewonnen werden.

Bei Wechseljahrsbeschwerden ist eine spezielle Entspannungstechnik mit Imaginationsübungen oft hilfreich.

In der Physiotherapie werden bei Bedarf gezielte Übungen zum Training des Beckenbodens vermittelt. Darüber hinaus beeinflusst die Bewegungstherapie allgemein das Körperbild und Körpererleben positiv und führt so wieder zu mehr Selbstvertrauen.

Als Nebenwirkung von Operationen, Bestrahlung und Chemotherapie entwickelt sich bei sehr vielen Krebspatienten ein Erschöpfungssyndrom, auch Fatigue-Syndrom genannt.

Hierdurch ist das Bedürfnis nach Sexualität vermindert oder gar nicht mehr vorhanden. Eine gut angeleitete Bewegungstherapie kann auch bei der Überwindung eines Fatigue Syndroms helfen.

Von Seiten der Pflege sprechen unsere breast-care-nurses in der Beratung von Frauen mit Brustkrebs über Nebenwirkungen z.B. der antihormonellen Therapie auf die Schleimhäute. Eine Trockenheit der Scheidenschleimhaut kann gut durch spezielle Gleitcremes behandelt werden. Die breast-care-nurses beraten ebenfalls gerne über Auswahl von BHs und Bademoden, aber auch über geeignete Prothesen oder über einen Brustaufbau.

Wenn vorübergehend oder dauerhaft eine Ableitung von Harn oder Stuhlgang über ein sogenanntes Stoma erforderlich wurde, unterstützt sie die Pflege im Erlernen der Handhabung, vermittelt Ihnen so ein sicheres und entspanntes Umgehen mit dem künstlichen Harn- oder Stuhlausgang. So kann ein allmähliches Akzeptieren der durch die Therapie bedingten Körperveränderung zu mehr Mut beim Ausleben Ihrer Sexualität führen.

Zur gezielten Behandlung von schmerzhaften muskulären Verspannungen bietet die Massageabteilung eine Vielfalt von Massageformen, unterstützt von Elektrotherapie oder Wärmeapplikation an. Bei Lymphödemen z.B. nach Operationen oder Bestrahlungen sind Lymphdrainage, eventuell kombiniert mit Kompression oder Lymphtapes wirksam. So können Störfaktoren, die auch Auswirkung auf das Sexualleben haben, gemindert werden.