Mammakarzinom
Mit rund 72.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist das Mammakarzinom in Deutschland die mit Abstand häufigste Krebserkrankung von Frauen. Aktuellen epidemiologischen Daten zufolge muss sich etwa eine von acht Frauen im Laufe ihres Lebens mit Brustkrebs auseinandersetzen. Sehr selten erkranken auch Männer (1%).
Eine Vielzahl von Risikofaktoren des Mammakarzinoms ist bekannt, meist vermittelt durch die verlängerte Einwirkung der Geschlechtshormone am Brustdrüsengewebe:
- Frühe Menstruation
- Kinderlosigkeit
- Keine Stillzeiten
- Später Eintritt in das Klimakterium
- Übergewicht
- Alkohol
- Aufnahme von Xenoöstrogen (Substanzen aus der Umwelt mit hormonähnlicher Wirkung auf den Organismus)
- Hormonersatzpräparate in den Wechseljahren
- Karzinomerkrankungen in der Familie oder andere eigene Tumorerkrankung
- Erbliche Veränderungen in den Genen BRCA1 und BRCA2
5 bis 10% aller Mammakarzinome gründen auf einer erblichen Belastung. Einige dafür verantwortliche Gene sind bekannt. BRCA 1 und BRCA 2 sind Reparaturgene. Eine Mutation dieser wichtigen Gene erhöht das Risiko an Brustkrebs zu erkranken erheblich.
Auch andere Tumoren kommen häufiger vor. Hinweise auf einen erblichen Brustkrebs können sein:
- Familien mit mindestens zwei Erkrankten an Mammakarzinom und/oder Ovarialkarzinom, davon mindestens eine unter 50 Jahren oder 3 Erkrankte über 50 Jahre
- Familien mit einer an Mammakarzinom Erkrankten unter 31 Jahren oder beidseitigen Karzinom unter 41 Jahren
- Familien mit einer an Eierstockskrebs Erkrankten unter 41 Jahren
- Familien mit einer an Eierstock- und Brustkrebs Erkrankten
- Familien mit einem männlichen Brustkrebs Erkrankten
Ergeben sich entsprechende Hinweise aus der Familienanamnese, kann an speziellen Zentren zunächst eine humangenetische Beratung erfolgen und eine genetische Untersuchung angeschlossen werden
Eine verbesserte Frühdiagnostik und Erfassung von Risikogruppen hat dazu beigetragen, dass die Sterblichkeit an Brustkrebs deutlich gesenkt werden konnte. Natürlich haben auch moderne Behandlungsverfahren dazu beigetragen. In Deutschland wird Frauen zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr alle zwei Jahre ein Mammographie Screening angeboten. Der Nutzen dieser Maßnahme ist insofern umstritten, da sie nur eine bestimmte Altersgruppe erfasst. Aber gerade jüngere „Risiko-Patientinnen“ sollten frühzeitig erfasst werden, da hier die Sterblichkeit besonders hoch ist. Es können auch sogenannte „Intervall-Karzinome“ auftreten, das heißt ein Brustkrebsbefund wird innerhalb der 2 Jahre, also zwischen den Mammographie-Screening-Untersuchungen, erhoben. Ein weiteres Problem besteht in der Erfassung von Krebsvorstufen (DCIS, LCIS). Eine Brustkrebserkrankung kann sich aus solch einem Befund entwickeln. Es kann jedoch auch zu einer spontanen Regression (Rückbildung) kommen. Aus diesem Grund ist es wichtig, das individuelle Risikoprofil zu ermitteln, damit es nicht zu einer belastenden „Übertherapie“ kommt.
Um eine optimale evidenzbasierte Behandlung und Versorgung anzubieten, wurden von den Fachgesellschaften S3-(Stufe3) Leitlinien erstellt. Zuletzt sind diese für Brustkrebs im Juli 2012 aktualisiert worden. Studien konnten zeigen, dass eine leitlinienkonforme Behandlung das Überleben verbessert (BRENDA-Studie).
Ziel ist eine den Merkmalen der Tumorzellen entsprechende Therapie. Nicht allein das Tumorstadium beeinflusst die Therapie, sondern auch die biologischen Eigenschaften (Rezeptoren, Biomarker, Gen-Expression). Neben Operation, Strahlentherapie, Hormontherapie oder Chemotherapie kommen neue, moderne Behandlungsverfahren zum Einsatz (Antikörpertherapie, zielgerichtete Therapien, Angiogenesehemmer). Die „Visitenkarte“ des Tumors ermöglicht eine individualisierte Therapie. Leider berücksichtigen die aktuellen S3-Leitlinien oftmals nicht neue Innovationen (z.B. Erfassung von Proliferationsmarkern, Analysen der Genexpression). Gerade diese Verfahren stellen aber eine gute Entscheidungshilfe bzgl. der Behandlung dar. Die Arbeitsgemeinschaft gynäkologische Onkologie aktualisiert daher ihre Behandlungs-Leitlinien fast jährlich.
Die Behandlung sollte an einem zertifizierten Brustzentrum erfolgen. Im Internet findet man gute Informationen über die Deutsche Krebsgesellschaft (www.krebsgesellschaft.de) und die Deutsche Gesellschaft für Senologie (www.senologie.org). Das „Überlebensbuch Brustkrebs“ von Ursula Goldmann-Posch und Rita Rosa Martin (erschienen im Schattauer Verlag) ist ein guter ausführlicher Ratgeber und ermöglicht der Frau aktiv und eigenverantwortlich zu handeln.
Ihre Behandlung in der onkologischen Abteilung der Habichtswald-Klinik
Wie kaum ein anderer Tumor führt das Mammakarzinom zu starken Eingriffen in die körperliche, seelische und geistige Integrität der betroffenen Frauen. Das Gefühl der Unverwundbarkeit und unerschütterlichen Gesundheit wird durch die Diagnose aufs Tiefste erschüttert. Die mit äußerlich sichtbaren Veränderungen einhergehende Operation erzeugt oft das Gefühl, nicht mehr attraktiv zu sein und sich nicht mehr als vollständige Frau fühlen zu können. Die betroffene Frau, die meist aus voller Vitalität zur Patientin geworden ist, bedarf einer intensiven Unterstützung in der Verarbeitung der Diagnose.
Ein Qualitätsmerkmal des Disease-Management-Programms ist die zügige Leitung der Patientin von der Diagnose zur Therapie. Dies wird aber nicht immer dem Bedürfnis der Frauen gerecht, die in Ruhe überlegen und mitentscheiden wollen. Jede Frau hat das Recht, sich verschiedene Meinungen einzuholen, um zu entscheiden, welche Therapie sie wählt.
Die Diagnose einer Krebserkrankung stellt nicht nur eine körperliche Beeinträchtigung dar. Es besteht eine seelisch traumatische Situation, vergleichbar mit einem Schockzustand. Zunächst wird man die empfohlenen Behandlungen, wie z.B. Operation durchführen. Man wird mit Ängsten konfrontiert, die bei jeder weiteren Diagnostik im Rahmen der Nachsorge immer wieder neu ausgelöst werden können. Je nach Persönlichkeit kann die psychische Belastung zu Veränderung der Stimmung führen und die Kommunikation mit Angehörigen und Freunden belasten.
Viele Patientinnen leiden an einem Fatigue-Syndrom (Chron. Erschöpfungs-Syndrom) und sind in ihrem Befinden erheblich beeinträchtigt.
Aus diesen Gründen ist eine Anschlussheilbehandlung/Rehabilitation nach der primären Behandlung zu empfehlen. Ziele sind:
- Gezielte Behandlung von Funktionsstörungen (z.B. Schmerzen und/oder Bewegungseinschränkungen nach Operation, Lymphödem, Nebenwirkungen medikamentöser Therapien oder Strahlentherapie)
- Wiederherstellung der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit
- Wiedereingliederung in Familie, Gesellschaft und Berufsleben
Eine spätere stationäre Rehabilitation kann erneut erforderlich werden, wenn Beeinträchtigungen vorliegen, die sich ambulant nicht bessern.
Ein Aufenthalt in unserer Klinik kann ebenfalls angezeigt sein, wenn medizinischer Beratungsbedarf bzgl. therapeutischer Entscheidungen besteht. Dies kann ambulant als „Second Opinion“ oder im stationären Rahmen erfolgen. Bei fortgeschrittener Erkrankung kann eine palliative Therapie durchgeführt werden. Hier erfolgt eine kompetente medizinische und pflegerische Betreuung. Gemäß unserem Leitbild einer ganzheitlichen Betrachtungsweise finden wir gemeinsam mit Ihnen einen Behandlungsweg.
Unsere therapeutischen Angebote tragen zur Wiedererlangung der Einheit von Körper, Geist und Seele bei (Ganzheitliche Medizin).
Komplementäre Therapien können indikationsbezogen zum Einsatz kommen (z.B. naturheilkundliche Behandlungen wie Phytotherapie, Orthomolekulare Medizin, Enzyme, immunstimulierende Behandlungen, Homöopathie, TCM ). Therapienebenwirkungen können durch begleitende unterstützende Therapien gemindert werden. Gerade der Wunsch nach naturheilkundlicher Behandlung kann auch verunsichern, da es viele Vorschläge und Betrachtungsweisen zur Behandlung gibt. Das Angebot „Alternativer“ Therapien ist unendlich groß und der Patient oftmals überfordert, die Wirkweise zu überblicken. Hier beraten wir sie seriös über Möglichkeiten und Grenzen dieser Verfahren.
Besondere Bedeutung bei Brustkrebs kommt der Vitamin D Versorgung zu. Studien konnten den Nutzen zur Sekundärprävention belegen. Auch kann einer Osteoporose, die aufgrund einer antihormonellen Therapie gefördert wird, entgegengewirkt werden.
Unsere begleitenden Therapien sind gut geeignet, die Verträglichkeit der antihormonellen Therapie zu verbessern, damit die Lebensqualität nicht eingeschränkt ist. Es stehen medikamentöse naturheilkundliche Behandlungen zur Verfügung, wie Phytotherapie (Lavendel, Salbei, Traubensilberkerze), pflanzliche Rheumamittel bei Gelenkbeschwerden (Phytodolor®, Teufelskralle) oder pflanzliche Enzyme (Bromelain, Papain). Haut und Schleimhautpflege wird beachtet. Aromatherapie, Homöopathie und Akupunktur können zum Einsatz kommen. Manchmal kommen auch Antidepressiva zum Einsatz, angepasst an die bestehende Medikation. Bei hormonabhängigen Tumoren muss immer darauf geachtet werden, dass auch manche naturheilkundlichen Behandlungen stimulierend und damit wachstumsfördernd sein können (z.B. Phytoöstrogen).
Speziell ausgebildete Krankenschwestern (breast care nurses) beraten Sie ausführlich und vermitteln Kenntnisse über viele Möglichkeiten, den Alltag zu erleichtern.
Unsere Therapiekonzepte sind individuell gestaltet. Sie zielen nicht nur auf die direkte Zerstörung von Tumorzellen ab, sondern stärken die körpereigenen Kräfte und fördern Gesundung (Salutogenese).
Es kommen aus dem Bereich der Krankengymnastik konditionsbildende- und muskelkräftigende Trainingstherapien zum Einsatz. Sport und Bewegung mit einem ausgewogenen Trainingsprogramm können zur Besserung des Fatigue-Syndroms beitragen und einer Osteoporose entgegenwirken. Studien belegen, dass Sport und Bewegung ein Krankheitsrezidiv-Risiko vermindern kann. Einen Schwerpunkt stellt die spezielle Krankengymnastik für Halswirbelsäule, Schulter und Arm dar. Aus dem Bereich der Physiotherapie/Massage können neben klassischen Verfahren auch Reflexzonenbehandlungen (Fußreflexzonenmassage, Akkupunktmassage) zur Funktionsverbesserung verordnet werden. Zur Verbesserung eines Lymphödems kommen neben Lymphdrainage auch spezielle Techniken des Lymphtapings zum Einsatz. Polyneuropathische Beschwerden nach einer Chemotherapie können mit speziellem ergotherapeutischen Sensibilitätstraining und Iontophorese mit Vitamin B gebessert werden.
Anwendungen wie Bewegungsbäder in der angegliederten Kurhessentherme oder Kneipp-Therapien und Stoffwechselaktivierende Wasseranwendungen verbessern die Regulation und kommen daher mit Erfolg zum Einsatz.
Ernährungstherapie und- Ernährungspsychologie spielen gerade bei hormonabhängigen Tumoren eine wichtige Rolle. Ernährungsgewohnheiten können den Verlauf einer Erkrankung günstig beeinflussen. Daher stehen uns unterschiedliche Kostformen zur Verfügung, um eine auf Ihren Stoffwechsel abgestimmte Ernährung durchzuführen. Sie erfahren ausführliche Beratung in persönlichen Gesprächen und Vorträgen. Der Besuch von Kochkursen gibt Anleitung zur praktischen Anwendung.
Ein Schwerpunkt unserer Arbeit besteht in der psycho-onkologische Betreuung. Diese gestaltet sich individuell nach den Bedürfnissen und Zielen des Patienten. Strategien zum Umgang mit der Erkrankung und bestehenden Ängsten, Verbesserung der Selbst-Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und verbessertes Stressmanagement stehen dabei im Vordergrund. Neben Einzelgesprächen werden Gruppengespräche, Simonton-Visualisierungsübungen, Ausdrucksmalen und Kunsttherapie sowie Tanztherapie angeboten. Zur Besserung des Fatigue-Syndroms führen wir ein spezielles Training zur Förderung von Konzentration- und Koordination durch (Brain-Gym.). Verschiedene Entspannungsverfahren wie Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen (PMR), Tai Chi, Yoga und Autogenes Training werden angeboten. Bei hormonentzugsbedingten Beschwerden (Hitzegefühl/Schweißausbrüche) wird ein spezielles Imaginationstraining durchgeführt.
Viele Frauen erleben die Brustkrebserkrankung und deren Folgen als gravierende Veränderung ihrer Weiblichkeit. Das Körpergefühl verändert sich, die antihormonelle Therapie kann zu Verminderung der Libido führen und trockene Schleimhäute im Genitalbereich können den Geschlechtsverkehr beeinträchtigen. Sexualität ist in unserer Gesellschaft oftmals ein tabuisiertes Thema, so dass den Patientinnen der Mut fehlt, Beratung und Hilfe einzufordern. Ärztliche und psychoonkologische Unterstützung kann dazu beitragen, Vertrauen in den eigenen Körper wiederzuerlangen. Ängste können abgebaut werden, so dass wieder Lust am eigenen Körper empfunden wird und das eigene sexuelle Erleben neu erfahren wird. Krankheitsverarbeitung und Therapieakzeptanz stellen die Grundlage dar, eigene Ressourcen zu optimieren und fördern einen „gesunden“ Lebensstil.
Gerade das Zusammenwirken vieler Behandlungsmöglichkeiten unter ganzheitlicher Betrachtungsweise ermöglicht eine langfristige Stabilität und damit auch einen nachhaltigen Therapieerfolg.
Die Frage nach Sein und Sinn kann ein entscheidender Teil der Therapie werden. Im Rahmen unseres „freien spirituellen“ Angebotes kann z.B. an verschiedenen Meditationen, sakralem Tanz und Mantren-Singen teilgenommen werden. Unser spirituelles Angebot ist nicht konfessionsgebunden und steht auf freiwilliger Basis zur Verfügung. Auch besteht ein Angebot kreativer Arbeit (z.B. Mandala gestalten, Töpfern, Seidenmalerei).
Wir beraten und unterstützen sie in sozialmedizinischen Fragestellungen wie z.B. berufliche Wiedereingliederung, Informationen zum Schwerbehindertenrecht oder Planung der ambulanten häuslichen Versorgung (Hilfsmittel, Pflege).
In den letzten Jahren haben viele neue Erkenntnisse zur Tumorbiologie nicht nur zu neuen Behandlungsmöglichkeiten geführt, sondern auch zu einer anderen Betrachtungsweise der Tumorerkrankung. Die Tumorerkrankung stellt eine individuelle Erkrankung dar, Behandlungsziel ist daher eine personalisierte Medizin. Die Behandlung erfordert eine hohe Fachkompetenz und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Von großer Bedeutung ist auch die Lebensweise der Patientin, die Einfluss auf den Verlauf einer Tumorerkrankung und deren Prävention hat.
Die Stärkung eigener Ressourcen gemäß dem salutogenetischen Gedanken (Lehre von der Gesundheit) ist daher ein Hauptziel unserer Arbeit.